Das Klassentreffen


„Na, bist Du soweit, wir müssen los!“, ruft Olga Tschechowa aus dem Schlafzimmer Richtung Bad.

„Ja-Ja, gleich“, erwidert eine männliche Stimme. Olga schleicht zu ihrem Partner und präsentiert sich, „Also? “, sieht sie ihn erwartungsvoll an. Er setzt einen fragenden Blick auf, woraufhin Olga leicht gereizt aufstöhnt und sich erklärt: „Sehe ich gut genug aus, dass du lieber zuhause bleiben

würdest?“

„Hä?, folgt die typische Antwort von Heinrich. Sie grinst amüsiert und piekst ihn in die Seite, während er seine Haare zu Ende stylt. „Weißt Du, es gibt so einen Spruch, -

Gut zurechtgemacht für's Ausgehen ist eine Frau dann, wenn Ihr Begleiter

lieber mit ihr Zuhause bliebe.

Man konnte das 'Klicken' seines Gehirns richtig hören, denn er fängt auch schon

an zu grinsen. „Du bist wunderschön wie immer, dennoch würde ich niemals lieber zuhause

bleiben, um Sex zu haben“, sagt er wissend, dreht sich um und lacht mit

ihr. Rasch packen sie die restlichen Sachen zusammen und gehen zum Auto.

Nach dem Anschnallen sagt Olga, dass sie schon gespannt sei, wer alles zum

Klassentreffen komme und wie sie sich alle verändert haben. „Mhmm... “

„Schon klar, Du willst nur mit deinen alten Buddys saufen, ich fahr dich dann schon heim, kein Ding“, folgt die flapsig-ironische Antwort ihrerseits. Er fängt an breit zu grinsen und biegt in das Parkgelände ein. Bereits hier sehen sie ein paar Weiber ihrer Jahrgangsstufe. „Die haben sich auch kein Stück verändert“, meint Olga leicht angewidert. Auf diesen Gesichtsausdruck fängt Heinrich an lautstark zu lachen, steigt dann aus und öffnet der Lady immer noch lachend die Türe. Eingehackt machen sie sich rein ins Nostalgie-Getümmel und trennen sich auch schon beim Fund ihrer Cliquen wieder.

„Ahh, Olga, my darling, gut siehst du aus, ist echt lang her. Nu erzähl ... “, überfällt sie ihre damalige beste Schulfreundin Sarah. Nach der Runde Umarmungen fängt jeder an, seine Geschichte zu erzählen.

Es dauert nicht lang, dann sind alle wieder aufeinander abgestimmt und stoßen

mit einem Glas Sekt an. Im Anschluss folgt eine Rede der damaligen Klassensprecherin, die dann noch

alle Anwesenden auffordert etwas zu erzählen, da die Beteiligung nicht besonders groß ausfällt, wird die Musik angeschaltet. Olgas Clique bewegt sich direkt zur Tanzfläche und schleift sie gleich

mit. Nach mehreren Liedern zieht Sarah Olga aus dem Schlachtfeld von wilden

Verknotungen und fragt sie über ihren Verlobten aus.

„Wer hätte gedacht, dass er jetzt so verdammt heiß aussieht“, sagt sie und schielt zu ihm hinüber. Aus Jux sagt Olga grinsend, dass er ihr gehöre. Beide fangen an zu lachen und ziehen hin und wieder seltsame Blicke auf sich, verziehen sich dann aber etwas weiter weg und tratschen über Belangloses.

Sarah kippt ein Glas nach dem nächsten und versucht auch Olga dazu zu animieren, bei jedem 'Nein', trinkt sie auch ihr Gläschen mit. Betrunkene Menschen kann Olga nicht leiden und löst sich von der Truppe, um sich zu ihrem Freund zu schleichen. „He Schatz“, empfängt er sie und zieht sie in seinen Arm um sie zu küssen. Perplex löst sie sich von ihm, was er scheinbar nicht zu bemerken scheint und geht wieder weg. Auf halbem Weg hört sie einen der Männer hinter sich, nach ihr pfeifen und Heinrich mit einem leicht abwertenden Ton fragen, ob sie den so gut im Bett sei, wie sie aussehe.

Rasch dreht sie sich um und erwartet eine Reaktion von Heinrich. Erst lacht er, als wäre es ein Witz, doch dann scheinen die Worte sein Gehirn erreicht zu haben und er haut James eine rein. „Was soll das?“, fragt dieser entsetzt, sein Gesicht haltend. Stolz dreht sie sich wieder um und verabschiedet sich von ihren alten Freunden. Es dauert nicht lange, dann kommt auch Heinrich angestapft und steigt schweigend ins Auto. Im Auto sitzend verliert er eine Träne, doch bevor er mit seinen Entschuldigungen anfangen kann, schneidet sie ihm ins Wort: „Ha, Du hattest recht mit deiner Aussage auf der Bühne. “

Irritiert sieht er zu ihr rüber, dann fällt es ihm wieder ein:
Wie alt man geworden ist, erkennt man an den Gesichtern derer, die man jung gekannt hat.

Durch diese gelungene Ablenkung fangen wir über die Wahrheit dieser Aussage an zu lachen und machen uns auf dem Heimweg. Um ihn zu ärgern fährt sie in Schlangenlinien auf der Straße. Günstig, dass es aufgrund der späten Uhrzeit, kaum noch Verkehr gibt. „Olga, ich habe dich verdammt gern und es tut mir leid, dass der Abend so blöd geendet hat“, spricht er sie nuschelnd an. Sie dreht ihren Kopf in

seine Richtung, damit sie ihn besser versteht. Doch plötzlich, kurz nach dem er seine Wiederholung beendet hat und Olga ihren Blick wieder auf die Straße lenken will, kracht es.

Alles dreht sich und sie nehmen nicht richtig wahr, was passiert ist.

Auf einmal taucht ein älterer Herr auf und meint:
Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen Sünden wider die Natur. Wenn sich diese gehäuft haben, brechen sie unversehens hervor.

Heinrich ist verwirrt und fragt, wer er den nun sei. Der unbekannte Mann stellt sich als Hippokrates vor und verschwindet so schnell wieder, wie er gekommen war. Beide wachen gleichzeitig im Krankenhaus auf, sehen sich verwundert an ehe die Müdigkeit sie wieder einholt. Am nächsten Morgen empfängt sie ein Arzt und erklärt: „Sie hatten einen Unfall. Ein älterer Herr ist frontal mit euch zusammengestoßen, die Polizei vermutet, dass es Suizid war.“

Erst eine Woche später kommen sie Zuhause auf den komischen Traum zu sprechen und vermuten, dass es eine Art Entschuldigung war, die er mit seinem Leiden versuchte zu erklären. Aber genau wissen konnten sie es nicht.

 

 


Vielen Dank an die Spin.de - Gruppe: Schreiberlinge,

die durch ein Wettbewerb, mich dazu motiviert hat,

diese Geschichte zu schreiben und ein wenig auf die Asexuelle Orientierung einzugehen.

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