Mein alter bester Freund


Das Lagerfeuer knistert, die Zelte stehen, eine Gitarre ist auch da und die Sterne bieten eine angenehme Atmosphäre. „Komm schon, erzähl endlich, du hast es uns doch versprochen.“

Gespielt mürrisch setzt sich der Herr älteren Alters auf einem Ast, der als Bank zum Feuer dient, verschränkt seine Finger ineinander und blickt alle an. Dann fängt er an zu erzählen …

 

„Wir kannten uns schon seit dem Gymnasium und sind öfter auf Partys gegangen, Gott, da haben wir uns gut amüsiert.“ Er macht eine Pause, lehnt sich etwas zurück und schwellt in Erinnerungen. „Klar, irgendwie war er immer eigen und distanziert, aber das war für mich nicht so schlimm. Ich habe früh gelernt Leute so hinzunehmen, wie sie sind. Der Kontakt verlor sich dann nach den Prüfungen und unsere Wege trennten sich. Erst einige Jahre später saßen wir im selben Kurs an der Uni.

Ha', ich weiß nicht mal mehr, welcher das war.

Wir haben uns mitten im Kurs zusammengesetzt und geredet. Da habe ich erfahren, dass er eine

Ausbildung als Vertreter einer Staubsaugerfirma begonnen hatte und es schlussendlich dazu kam, dass die Firma fast Pleite ging, mein Freund dann eine große Klappe hatte und das ganze Geschäft von seinem damaligen Chef bekommen hat. Also war er mit der Ausbildung fertig und Geschäftsführer.“

 

„Wow, wie hat er das geschafft?“, fragt ein Mädchen aus der Runde. Sebastian grinst und winkt ab, „das ist wohl eine andere Geschichte.

Jedenfalls haben wir uns noch am selben Tag in eine Bar gesetzt und was getrunken.“

„Wieso war er als Geschäftsführer an der Uni?“, bricht Mark die Stille der kurzen Verschnaufspause.

„Er wollte rechtmäßig qualifiziert sein für den Posten und ist in die Stunden gegangen, die er benötigte. Nach einem Semester hat er auch schon die Prüfung abgelegt.“

Mark nickt, wirkt aber nicht ganz überzeugt. „Ich war zu der Zeit Dauerstudent, habe vieles angefangen, ein paar Sachen zu Ende gebracht und bin sehr spät in die Arbeitswelt eingestiegen.

… Naja, etwas eifersüchtig war ich schon auf ihn …

Nach einigen Jahren lief bei uns alles routiniert ab, wie damals.

 

Ich weiß noch, ungefähr zu dem Zeitpunkt, an dem er schon ein paar Menschen getötet haben muss, laut Polizei, waren wir am See campen. Da war ich auch schon fast mit Mama zusammen“, dabei sah er Mark und Maria an, die breit grinsen mussten. Plötzlich fängt er an sich umzusehen und laut zu lachen, „um ehrlich zu sein, ist es so gut wie dieselbe Stelle hier.“ Die Jugendlichen reißen alle die Augen auf. Sebastian schüttelt amüsiert den Kopf, nimmt einen Schluck Bier und grillt sich noch ein aufgespießtes Würstchen.

 

„Wann hast Du es dann erfahren?“, frag Joe, ein Freund von Mark. Sebastian überlegt, isst seine Wurst zu Ende und fängt schwer ausatmend an weiterzuerzählen: „Er hat es mir kurz bevor er das Land verlassen hat gebeichtet. Es war schon sehr spät als er vollkommen durchnässt vor meiner Tür

stand. Ich ließ ihn natürlich rein, warf ihm ein Tuch zu und wartete. Er schien kontrolliert und aufgelöst zugleich, die ersten Ansätze scheiterten an Gestotter und Genuschel. Dann aber erzählte er, dass er gerade jemanden umbrachte und die Polizei ihn bald fassen würde, weshalb er das Land verlassen

wird.“ Er streicht sich durch die Haare und atmet schwer aus. „Gott war ich aufgelöst. Ich konnte gar nichts sagen. So wie er aussah, konnte ich es auch nicht als Scherz auffassen. Es dauerte einige Minuten, bis ich fragen konnte, warum er das tat. Er schaute mich verwirrt an, sein Blick drückte so etwas aus wie; wie könnte er je darauf verzichten. Anstatt das ich darauf einging, fragte ich nach der Anzahl. Als er dann anfing länger nachzudenken und zu zählen, stockte mir der Atem.“

Die Runde rückte näher vor und hörte umso gespannter zu.

„Er flüsterte erst etwas von 11, korrigierte dann auf 12 Menschen. Da schluckte ich schwer, er hat 12 Menschen wissend getötet. Aber anstelle nach den Gründen zu fragen oder ihm etwas vorzuwerfen, hatte ich Mitgefühl und fragte warum er glaubte, dass die Polizei ihn jetzt bald fasste.

Damit hat er überhaupt nicht gerechnet, in seinen Augen schimmerte Hoffnung

und er entspannte sich. Ich habe erst Jahre später erfahren, warum das so war. Er fing sehr

kontrolliert und sachlich an zu erzählen…“

 

Sebastian rutscht vom Ast runter und lehnt sich dagegen, legt seinen Kopf in den Nacken und betrachtet die Sterne. Joe und Mark machen sich auf dem Weg, noch ein bisschen Holz zu holen, bevor das Feuer vollkommen ausgeht. Selina, die Freundin seiner Tochter sieht auch zu den Sternen, dann flüstert sie: „Warum hast du Hoffnung gesehen?“

Er sieht sie eindringlich an erklärt: „Das war die Hoffnung, dass er mich nicht als Freund verloren hat.“

Jetzt nickt sie verständnisvoll.

Die Jungs kommen auch schon und werfen das Holz auf die Glut, dann setzten sich alle wieder hin und sehen ihn erwartungsvoll an. Augenverdrehend schnauft er die kalte Luft aus und redet weiter: „Er habe einen Fehler gemacht und seine Spuren hinterlassen. Bevor er sie hätte beseitigen können, ist jemand gekommen. Weshalb er fliehen musste.

 

Die Stimmung zwischen uns war seltsam, ich wusste nicht, was ich tun soll, dass sah er mir auch an und stand auf. Ich begleitete ihn noch zur Tür, dort umarmte er mich - zu meiner Überraschung, dann bedankte er sich und verabschiedete sich.“ Er lacht kurz, „das klang zu dem Zeitpunkt so, als würden

wir uns nie wiedersehen. So wie ich das mitbekommen habe, war er noch einige Tage in der Arbeit,

arrangierte dort ein Auslandsprojekt, beförderte einen Vertreter zum Leiter, ... kurz vor seinem Flug, kam er noch einmal zu mir und erklärte, wieder wie der Alte, dass er nach Kanada fliegt und dort untertaucht. Ich habe ihm versprochen, dass ich nichts sagen werde und hin und wieder zu seiner Mutter schaue. Dann umarmten wir uns und er stieg in sein Taxi.“

Joe gähnt und man sieht an, dass allen die Augen zufallen. „Lasst uns schlafen gehen“, raunt auch Sebastian gähnend in die Runde. Mühsam nicken alle und ziehen sich schleppend in ihre Zelte. Marie bleibt noch kurz neben ihm stehen und sieht ihm tief in die Augen, dann fragt sie leise, ob sein Freund noch lebe oder im Gefängnis sei. Sebastian grinst unsicher, „Ja, er lebt noch, frei unter seiner Kontrolle.“

 

Eine Mischung aus Zufriedenheit und Unsicherheit spiegelt sich in Ihrem

Gesicht, dann wendet sie sich wieder ihrem Zelt zu.

 

 


Vielen Dank an die Spin.de - Gruppe: Schreiberlinge,

die durch ein Battle-Wettbewerb, mich dazu motiviert hat, diese Geschichte zu schreiben

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