Tag 2 - Vormittag


 Natürlich hatte ich gestern keine Verabredung. Ich habe es als Vorwand benutzt, um nicht zu ihr fahren und mir ihr Familienleben ansehen zu müssen. Daheim habe ich mir ein Bad eingelassen und nochmal über den seltsamen Tag nachgedacht. Vor allem über Sabrina und den Zettel und … und über meine Nachbarn.

 

»Ich würde gerne direkt zur Kanzlei fahren und mit ein paar Kollegen sprechen, soll ich dich aufsammeln?«, sage ich am Telefon zu Ray und dieser bestätigt es. »Aber nur, wenn du mich dann auch wieder nach Hause fährst.«

»Mal schauen«, entgegne ich frech und grinse. Ray wohnt günstigerweise auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle, weshalb es keinen großen Umweg darstellt. Das Revier ist auf der anderen Seite, weshalb ihn dorthin mitzunehmen einen größeren Mehraufwand bedeuten würde. 

 

Als mein Kaffee leer ist, sehe ich mich kurz in meiner Wohnung um. Der obligatorische Überblick, ob ich alles habe und alles am richtigen Ort steht. Die 2-Zimmer-Kellerwohnung als Einliegerwohnung eines größeren Hauses ist gemütlich und relativ dunkel auf der Schattenseite des Gebäudes. Einige Ranken von einer Kletterpflanze umrahmt ein Fenster und lässt es verwunschen wirken. Gleichzeitig erinnert es an eine Hexenwohnung, weil hier alles aus Holz ist, die Decken nicht besonders hoch sind und es teilweise verwinkelt ist. So vollgestellt ist es nicht, aber dafür äußerst heimisch für mich. Ich fühle mich auf mehreren Ebenen sicher hier, obwohl es augenscheinlich nicht zu mir passt. Da ich die meiste Zeit eh nicht zu Hause bin und es eine praktische und günstige Wohnung ist, war ich begeistert, als ich sie fand.

 

»Steuerkanzlei Eindl & Partner, richtig?«, fragt Ray, nur zwei Minuten nach dem Einsteigen. Ich nicke und bin in meinen Gedanken versunken. Jene Gedanken, die so weitreichend sind, dass ich sie gar nicht zuordnen oder greifen kann. Sowas finde ich immer ermüdend. 

»Dritter Stock«, sagt die Empfangsdame knapp und wir gehen zum Aufzug. 

»Ist alles okay?«, mustert mich Ray. Wir arbeiten nicht zum ersten Mal zusammen und kennen inzwischen ein paar Züge oder Gedanken des anderen schon ganz gut. »Die Nacht war zu kurz«, antworte ich leise und wir steigen aus, als die Türen sich öffnen. Direkt über der kreisrunden Rezeption der Kanzlei prangt groß der Name in silberner Schrift.  Alles wirkt ziemlich modern, die einzelnen Büros sind vom Zentrum aus rundherum gut zu erreichen. Durch die vielen Glasscheiben und Türen wirkt alles strahlend transparent und offen. »Wir hätten ein paar Fragen an Kollegen von Sabrina Beck, können Sie uns da weiterhelfen?«, informiert sich Ray beim Herrn an der Rezeption, nachdem er sich ausgewiesen hat. Das Hauptzimmer, natürlich das Größte, ist direkt dahinter und unschwer als das des Chefs, vermutlich Herr oder Frau Eindl zu erkennen. Verdutzt sieht sich der Gefragte um, entschuldigt sich dann und geht ohne Zögern in das Büro hinter sich. »Die Hierarchien scheinen hier flach zu sein«, flüstere ich zu Ray und nicke in die Richtung, in die der Angestellte verschwunden war und gerade wieder rauskommt. »Sie können zu Herrn Eindl gehen«, antwortet er dann sicher und freundlich. Wir nicken und tun das.

 

»Hallo«, sagt der Mann mittleren Alters und breitet leicht seine Arme aus. »Es geht um Sabrina, richtig? Wie tragisch. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fährt er fort und bleibt stabil in der Stimme. Er wirkt aufrichtig. Herr Eindl zeigt auf die Stühle und wir nehmen vor seinem Tisch Platz, dabei rutscht er mit dem Stuhl etwas nach hinten und setzt sich bequemer hin. »Guten Tag. Wir würden gerne wissen, wie Frau Beck gearbeitet hat, mit welchen Kollegen sie am meisten Kontakt hatte, ob es irgendwas Auffälliges gab …«, starte ich und werde unterbrochen. Er schließt seine Arme wieder und lehnt sich vor, dabei reibt er sich über sein grob rasiertes Kinn, »oh, sie war eine gute Arbeitskraft, sehr zuverlässig. Probleme gab es im Betrieb nicht. Jedoch gab es einige Szenen mit ihrem Freund.«

»Szenen mit Herrn Knud?«, hakt Ray nach. 

»Ich weiß nicht, wie er heißt, er ist ungefähr so groß wie ich, relativ schlank und hat kurze blonde Haare. Jedenfalls war er, gerade in der Anfangszeit, einige Male hier. Da war das noch ganz nett, wie verliebte Paare eben sind.« Er lehnt sich wieder zurück und grinst leicht. Doch wird er schnell wieder ernst: »Dann kam er eine Zeit lang nicht mehr und vor einigen Monaten war er wieder gehäuft da. Sie hat ihn sogar weggeschickt.«

»Wissen Sie, worum es ging? Warum war er da?«, forsche ich nach und mustere sein Gesicht nach Hinweisen. Herr Eindl wirkt aber sehr offen, ehrlich und hat eine positive Haltung, weshalb ich keine Anzeichen von Verschleierung oder Täuschung erkennen kann.

»Beim letzten Mal ging es um eine angebliche Affäre, die Sabrina mit ihrem Bürokollegen Martin gehabt haben soll.« Seine Mimik verdunkelt sich, »ich mag es nicht, wenn solche Störfaktoren in meinem Unternehmen hausieren. Das lenkt die Leute ab.«

»Also ist da nichts dran?«

»Das geht mich nichts an«, er zögert, »aber wenn ich ehrlich bin, bezweifle ich das. Sabrina war ein sehr ehrlicher und offener Mensch. Es gab schon einige problematische Kunden, die sie aufgedeckt hat.«

 

»Schwierigkeiten mit Kunden?«, sagen Ray und ich synchron. 

Herr Eindl dreht sich mit dem Stuhl leicht hin und her, dann stoppt er und schüttelt den Kopf, »Nein nein, das ist nicht so, wie Sie denken. Unsere Kunden wissen nur begrenzt, welcher Mitarbeiter an der Buchführung mitarbeitet. Wir sind ein solides Unternehmen mit über 50 Angestellten. Wir haben zwar oft einzelne Ansprechpartner für unsere Kunden, aber wer dann intern daran mitwirkt, wissen die Kunden nicht.«

»Und wenn doch?«, presche ich vor. »Lassen Sie uns bitte eine Auflistung zukommen, in welcher die betroffenen Firmen aufgeführt sind und Sabrina Beck mitgewirkt hat.«

»Ähm, das muss ich erst abklären«, wird Herr Eindl plötzlich unsicher und streicht sich mit einer Hand über die andere. Ich schaue zu Ray, »warum denn?«, entgegne ich direkt.

»Sie wissen schon, Datenschutz und ich möchte auch keinen Ärger mit unseren Kunden.«

 

Müde wende ich meinen Blick ab, stehe auf und mache ein paar Schritte zum Fenster. Gut, ich kann verstehen, dass es vielen nicht bewusst ist und die meisten nicht oft mit der Mordkommission zu tun haben. Trotzdem will ich das nicht erklären. Ray versteht den nonverbalen Wink und übernimmt das: »Ich kann Sie verstehen, das deutsche Recht ist aber auf der Seite der Strafverfolgungsbehörden. Um noch einmal darauf hinzuweisen, wir ermitteln in einem Mordfall und der Täter ist noch unklar. Jeder Hinweis kann uns helfen, das zu ändern und ganz übertrieben ausgedrückt, die Straßen wieder ein bisschen sicherer zu machen.« Herr Eindl schweigt, starrt erst Ray an und dann mich, als ich meinen Blick wieder zu ihm wende und mich erneut setze. »Sie haben vollkommen recht, ich lasse Ihnen die Auflistung unverzüglich zukommen. Bitte verstehen Sie aber, dass es eine Weile dauert.« 

 

Ich nicke schwach, »forcieren Sie den Zeitraum der letzten zwei Jahre, das sollte genügen.«

»Ihr Freund war vor Ihrer Kündigung sehr seltsam, Sie sollten mit ihm reden«, greift Herr Eindl das vorherige Thema wieder auf.  »Wissen Sie, was konkret vorgefallen ist?«, hakt Ray nach und ich ergänze noch: »Oder warum Frau Beck gekündigt hat?«

Er presst die Lippen aufeinander, »weder noch«, sagt er dann schwach. »Ich war sehr überrascht, als sie in mein Büro kam und mir ihre Kündigung reichte. Es kam unerwartet.« 

»Gab es keinen Grund?«, hake ich nach. 

»Selbst, nachdem ich mit Martin und weiteren Kollegen gesprochen habe, konnten wir diesen Schritt nicht nachvollziehen. Selber hat sie etwas von Weiterbildung erzählt, wirkte aber nicht wirklich präsent.« Er seufzt. »Vielleicht war sie überlastet und ich habe es nicht gemerkt.« Ich mache ein nachdenkliches Geräusch und Ray sieht mich an. »Wie kommen Sie darauf? Litt Frau Beck unter Burnout?« Seine Augen werden groß.

»Ich hoffe nicht. Wenn ich aber recht überlege, war sie in den letzten Monaten öfter krank. Meistens am Montag oder am Freitag.«

Plötzlich klingelt das Telefon und ich zucke zusammen. Auch Ray hat sich erschreckt, nur Herr Eindl wirkt mehr oder minder gelassen, wie die ganze Zeit. »Sie können ruhig rangehen«, sage ich, »wir sprechen in der Zeit mit dem Mitarbeiter, Martin.«

Er nickt dankend, »das ist gut, er weiß bestimmt mehr.«

 

Wir verlassen das Büro und werden sofort von dem Rezeptionist empfangen: »Wie kann ich helfen?«

»Dürften wir die Toilette benutzen?«, antworte ich schnell, ehe Ray nach dem Kollegen fragen kann. Ray zieht eine Augenbraue hoch, grinst leicht und folgt mir, als ich die Anweisung erhalten habe, wo es ist. »Spar’s dir!«, entgegne ich keck, wissend, dass er einen blöden Kommentar zu meiner Aktion geben will. Wir verharren noch kurz in dem Flur vor der Toilette. »Meinst du, einem Chef fällt es nicht auf, wenn ein Mitarbeiter unter Burnout leidet? Vor allem, wenn sie hier alle per du sind?«, frage ich leise. 

Er zuckt mit den Schultern, »Kann gut sein. Schau doch mal in unser Revier. Meinst du, unsere Chefin weiß, wie es uns geht?«

»Das ist doch anders. Hier ist es näher und persönlicher.«

»Ach, der Schein trügt oft. Das muss nichts heißen. Worauf willst du hinaus?«

»Weiß ich noch nicht.« Ich wende mich ab und nutze wirklich die Toilette. Nach dem Händewaschen gehen wir wieder den Gang zurück und werden zu Martin geführt.

 

Als wir die Kanzlei verlassen haben, geht mir das Gespräch noch durch den Kopf.

Martin ist ein paar Jahre älter als Sabrina und hat offen zugegeben, dass er Interesse an einer Beziehung hatte, sie ihn aber immer abgewiesen hatte. Es gab einige Szenen in der Arbeit mit Moritz und sogar außerhalb, einmal auf einer privaten Feier der Angestellten. Seitdem ist Sabrina nicht mehr zu solchen oder öffentlichen Veranstaltungen erschienen oder nur sehr kurz. Martin hat Moritz als kontrollsüchtig und stalkend beschrieben und wenn ich genau darüber nachdenke, scheint das zu passen. 

»Gehen wir zur Wohnung?«, fragt Ray und reißt mich aus meinen Gedanken. Zum Glück hat er in der Früh noch angerufen und gefragt, ob eine Besichtigung Vormittags möglich wäre. Herr Beck sagte, dass er kommen würde. »Lass uns zu Fuß gehen«, antworte ich und er grinst leicht.

Ich drehe mich noch einmal um und sehe das Fenster von Sabrinas Büro von hier unten. Gleichzeitig frage ich mich, wie weit Moritz wohl gegangen ist und was passiert ist, dass er anderen so nachstellt. In meiner Arbeit als Polizistin damals, gab es einige solcher Fälle, meistens war es Eifersucht oder die Angst, das, was man am meisten braucht, zu verlieren. Kurz darauf habe ich einen Kurs besucht, zum Verständnis und zur Sensibilisierung von Stalking. Dort konnte ich einige Einblicke und Erkenntnisse erzielen, die mir später gut geholfen haben.

 

Ray sagte etwas, aber ich habe es nicht verstanden. »Sabeth?«, ich schaue ihm in die Augen, »wir sind da.« Sein Blick gleitet zur Tür und auch ich wende mich von ihm ab. 

»Wir sind zu früh«, meint Ray, »wir haben kurz nach 11 Uhr ausgemacht«, erinnert er mich. 

»Das macht nichts, wir können derweil mit der Nachbarin reden.«

‘E. Decker’ steht auf der Klingel, dann läute ich. Nach einer Weile surrt die Türe und Ray drückt sie auf, hält sie für mich und ich gehe vor. Die Nachbarin steht bereits an der Türe.

»Entschuldigen Sie Frau Decker, dass wir Sie zu dieser Zeit stören, aber hätten Sie ein paar Minuten Zeit?«

»Ja freilich. Kommen Sie rein und sagen Sie doch Erika, bitte.«

 

»Gut, Erika, dürfen wir noch deine Personalien aufnehmen?« 

Dieser Satz klingt per du immer so seltsam. 

Sie schlürft kurz weg und lässt uns in ihrem heimeligen Wohnzimmer alleine. »Einen Moment«, ruft sie dann. Als sie zurückkommt, drückt sie, dem bereits darauf wartenden Ray, den Personalausweis in die Hand.

Er notiert sich alles und bittet noch um eine Telefonnummer, für den Fall, dass wir Rückfragen haben oder ihre Aussage benötigen.

»Ahh, setzen Sie sich doch. Da. Kann ich Ihnen etwas bringen?«, sagt Erika und deutet auf die Stühle um den großen Tisch. Das Wohnzimmer ist nicht besonders groß, der Tisch samt der Stühle nimmt bereits ein Drittel des Raumes ein. Die Möbel sind altmodisch, aber nicht heruntergekommen. Das Neuste in diesem Raum ist der Fernseher. Ich muss leicht schmunzeln, das ist irgendwie immer so. 

»Einen Tee, Wasser, Kaffee, etwas Gebäck?«, zählt Erika auf. Wir setzen uns und bitten dann um eine Tasse Kaffee. 

»Sehr nett«, grinst Ray. Manchmal frage ich mich, warum er bei der Mordkommission ist. Er wäre auch ein guter, netter Streifenpolizist geworden. Erika kommt mit einem Tablett in den Raum und Ray springt sofort auf, um es abzunehmen. Die gute Frau dürfte Ende ihrer 80er sein und ist auch nicht mehr so sicher auf den Beinen. »Oh, ah. Vielen Dank«, beeilt sie sich zu sagen und setzt sich dann uns gegenüber. Natürlich ist auch Gebäck dabei, gekaufte Zimtschnecken auf einem Teller drapiert. Immerhin keine Donuts. Ich muss erneut schmunzeln. »Also, was ist dir aufgefallen?«, starte ich. Ray überlässt mir diese Unterhaltung, weil ich schon Kontakt zu Erika hatte und das meistens besser ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er auf eine Zimtschnecke geiert. »Nehmen Sie ruhig«, reagiert Erika mit einer wohligen und herzlichen Oma-Art. Erwischt tut er wie angeboten, dann wendet sich Erika mir zu. »Sie waren eigentlich immer sehr nett, haben mir sogar ab und an geholfen. Vor allem Sabrina. Moritz hauptsächlich, wenn es um den Fernseher ging.«

»Gab es noch etwas, nach dem Streit?«

»Ich war dann für ein paar Tage bei meiner Tochter, wissen Sie. Kann sein. Als ich wieder zurückkam, war er wieder öfter da.«

»Aber zusammen hast du sie nicht mehr gesehen?«

»Nein«, sie zögert, »meinen Sie, er hat ihr das angetan?«

»Das können wir noch nicht sagen.« Wir nippen an unserem Kaffee und Erika greift zum Gebäck. »Ich erinnere mich, einmal stand er draußen und hat hochgeschrien, das war kurz bevor ich abgeholt wurde«, fängt sie an, stoppt aber und beißt in ihre Schnecke. 

 

Die Ruhe möchte ich auch weghaben. »Er schrie irgendwas mit einem Martin oder so und, dass sie rumvögelt«, wieder wird sie verlegen, »oder war es rumhurt?« 

 

Ihr faltiges Gesicht färbt sich leicht rot. Das, was sie erzählt, passt jetzt zu dem Bild, welches wir von Moritz erhalten haben. Er war ein Stalker. Ein eifersüchtiger Freund, der ihr nachstellte. Ich muss an die Netflixserie ‘You’ denken. Wobei Moritz nicht so extrem zu sein scheint. Aber wer weiß? Vielleicht war er es leid oder sie hat ihn wirklich betrogen, auch wenn Martin es entschieden verneint. Es könnte auch ein anderer Mann gewesen sein.

 

»Hat Sabrina noch anderen Besuch erhalten? Eine Freundin, ein Freund?«

»Ohhhh«, sie mampft die Schnecke zu Ende und ich sehe sie entschuldigend an. Mir ist entgangen, dass sie noch schwer beschäftigt ist.

»Ja, jetzt, wo sie es sagen, da gab es vor Jahren eine Freundin, kräftig, lange Haare und so herzlich. Sie war oft da. Als Moritz kam auch noch regelmäßig, aber je mehr er da war, desto weniger kam sie. Schade. Sie haben so viel gelacht und sind ausgegangen.« 

Sie nickt unaufhörlich, als wäre sie in einer Erinnerung gefangen, dann grinst sie: »Einmal kamen sie ganz spät, da waren sie betrunken und haben gelacht, gekichert, sind ständig gestolpert. Ich bin von dem Lärm wachgeworden und habe nachgesehen. Aber sie waren schon in der Wohnung verschwunden.«

»Mit Moritz gab es sowas nie? Haben sie nie gelacht oder waren aus?«

»Doch doch. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass Sabrina je betrunken war. Oder so ausgiebig gelacht haben oder geblödelt hätten. Vielleicht ganz am Anfang noch. Dann aber irgendwann nicht mehr. Wie der Trott so ist.«

Sie nippt an ihrem Getränk und ergänzt dann noch: »Sie waren regelmäßig aus, vor Jahren. Aber eher schick und förmlich, wie zum Essen gehen.«

Ich nicke. »Verstehe.«

Ray schaut auf die Uhr und gibt mir zu verstehen, dass wir weiter müssen. Ich schnorre mir auch endlich eine Zimtschnecke, die wirklich verlockend aussieht und trinke meinen Kaffee aus. Mein Partner, so freundlich wie immer, räumt sogar alles weg. Wir bedanken uns herzlich für alles und gehen dann raus.

 

Kaum öffnen wir die Türe, klingelt das Handy von Ray. Er geht sofort dran.

»Oh, kein Problem. Verstehe. Ja, das ist in Ordnung. Dann machen wir 16 Uhr.«

Ich sehe ihn fragend an, werde aber just unterbrochen, weil mein Handy klingelt: ‘Revier’.

»Sabeth.«

»Kommen Sie bitte sofort zur Wache. Hier ist ein aufgebrachter Bauleiter, der ausschließlich mit den ermittelnden Polizisten sprechen möchte.«

»Aber wir haben eine Verabredung mit …«, setze ich an, doch Ray hebt die Hand. 

»Herr Beck kann nicht kommen. Sein Auto springt nicht an. Er schickt am Nachmittag jemanden«, flüstert er mir zu.

 

 »Wir kommen sofort.«